Sinn und Unsinn im Schachtraining – Teil 1

In dieser kleinen Reihe möchte ich einmal über Sinn und Unsinn im Schachtraining philosophieren. Seit knapp 1 Jahr beschäftige ich mich intensiv mit Schach, bin dem SV Wersten 1964 beigetreten, und versuche kontinuierlich meine Spielstärke zu steigern. Dabei haben sich einige Versuche und Herangehensweisen als sinnvoll, andere als weniger sinnvoll erwiesen. Über Letztere soll es in dieser Serie gehen. Sie folgt dabei keiner bestimmten Reihenfolge, und ich erhebe weder Anspruch auf Vollständigkeit noch Allgemeingültigkeit. Auch sind diese Gedanken weder neu, noch revolutionär, sondern lediglich meine subjektiven Erfahrungen. Sie sollen zum Nachdenken anregen, und helfen, die eigene Zeit mit Schach kritisch zu hinterfragen. Legen wir los…

Schach als Unterhaltung

Diesen 1. Punkt kennen wir sicher alle: Schach als Unterhaltung. Mal eben auf Chess.com vorbeigeschaut, und gesehen, dass gerade ein großes Turnier im Gange ist. Sei es nun z.B. Tata Steel, oder aktuell das Prague International Chess Festival, oder irgendein anderer Wettkampf mit all den bekannten Stars. Und zufällig läuft auch ein live-stream, also eine Übertragung mit den aktuellen Partien. Also mal kurz reingeschaut, und den Kommentatoren zugehört. Man versteht zwar nicht ganz so viel, und kommt bei den besprochenen Ideen nicht so richtig hinterher, weil sehr schnell viele Varianten runtergerattert werden, aber hey, man ist up-to-date. Im Nu sind 2 Stunden rum, und der Gewinn für das eigene Schach geht gegen Null.

YouTube Videos zum Berieseln. Auf YouTube finden sich viele Kanäle, die Schach zur Unterhaltung bieten. Und da ist grundsätzlich nichts Verwerfliches dran. Nur sollte man sich im Klaren sein, dass sie eben genau das sind, Unterhaltung. Ich habe z.B. eine Zeit lang gerne täglich die Blitzpartie auf Coffee Chess geschaut. Deren Markenzeichen sind die herrlich schrulligen Charaktere, wie Carl „The great Carlini“, „Brooklyn“ Dave oder FM Mark „The Duck“. Das ist Trashtalk vom Allerfeinsten. Und, ja, es gibt im Anschluss auch immer eine Analyse der Partie. Aber 1. ist es Blitz, und 2. bleibt man passiver Zuschauer. Auch hier geht der Gewinn für das eigene Schach gegen Null.

Die Jüngeren in unserem Verein schwören hingegen auf Chessbrah. Dort tummeln sich verschiedene bekannte GMs, und die Videos fallen z.B. durch kommentierte Blitzpartien auf, die mit (für meinen Geschmack) nerviger Techno- und Trancemusik hinterlegt werden. Und hauch hier ist man wieder passiver Zuschauer, auch wenn man gut Züge zu Gesicht bekommt, und obschon auch Lektionen zu verschiedenen Themen geboten werden.

Apropos gute Züge: Wer möchte nicht mal gerne dem Weltmeister beim lockeren Spielen im Internet zuschauen? Das geht mit dem sog. Banta-Blitz. Interessant sind die Kommentare schon. Und beeindruckend, wie Magnus Carlsen in den Partien denkt. Mehrwert für den Zuschauer?

Manche mögen auch den eigenwilligen Humor eines GM Ben Finegold oder den eher sachlichen Kommentator agadmator. Zudem gibt es Podcasts, wie Perpetual Chess, mit mindestens 1 Stunde Laufzeit pro Folge. Das zugrundeliegende Thema ist aber immer das selbe. Schach als Unterhaltung. Anstatt sich also aktiv mit einer Eröffnung, einer Meisterpartie oder einer Taktikaufgabe zu beschäftigen, anstatt sich selbst ans Brett zu setzen, und über Stellungen zu grübeln, lässt man sich berieseln und verliert dadurch unter Umständen viel Zeit.

Das Fazit dieses 1. Teils lautet also: Überprüfen wir einmal kritisch wie viel Zeit wir am Tag damit verbringen, uns von Schach unterhalten zu lassen. Und wie viel Zeit verbringen wir ernsthaft damit, unser eigenes Schach voranzubringen? Ich möchte hier keine Empfehlung aussprechen oder ein Verhältnis, z.B. 20/80, nennen. Nur wer mit den eigenen Fortschritten (so wie ich) unzufrieden ist, obwohl er oder sie sich doch jeden Tag so viele Stunden mit Schach beschäftigt, sollte sich die oben genannten Fragen einmal ernsthaft stellen.

Weiter mit Teil 2…