SV Wersten 1964 beim Krefelder Weihnachtsopen

Nach langer Unsicherheit über das Stattfinden des Turniers freuten sich die vier Werstener Malte, Sven, Jan und David darüber nach langer Zeit mal wieder an einem Open teilzunehmen. Diesmal ging es ins nicht weit entfernte Krefeld, wo uns 7 Runden Schweizer System bevorstanden. Um uns die Fahrerei zu ersparen und Abends gemeinsam noch etwas machen zu können, buchten wir uns ein Apartment in der Stadt wo wir uns am 27.12.21 trafen. Negativ getestet, was täglich vorzuweisen war, machten wir uns auf zum Vereinsheim des Krefelder SKT. Das Turnier erstreckte sich über mehrere Räume des äußerst großen Vereinsheims, bei dem man schon etwas neidisch werden konnte. Aufgrund der vielen Teilnehmer wurden die hinteren Bretter im Keller aufgebaut, sodass schnell klar war, wo gespielt werden wollte. Direkt am Park und Botanischen Garten gelegen bot sich zudem die Möglichkeit auch ein wenig auf andere Gedanken zu kommen, auch wenn Schach dann eigentlich doch immer im Gespräch war. 

Direkt in der ersten Runde traf Malte an Brett 1 auf den FM Michael Coenen den er sodann ganz schön in Bedrängnis bringen konnte. Am Ende reichte es in kompliziertet Stellung knapp nicht für ein Remis. So leicht gaben wir Werstener uns aber nicht geschlagen und so musste sich FM Coenen bereits am nächsten Tag, nach langem Widerstand, ein Remis gegen Sven eingestehen. Der nächste Werstener Gegner wartete nicht lange. Ein underrateder Spieler machte Jan und Malte das Leben schwer. Ich konnte ihn in Runde 6 jedoch schließlich in folgender Stellung bezwingen: 

Nach 33. e4 sieht es düster aus für Schwarz. Der schwarze König droht über h6 angegriffen zu werden. Gibt es einen Ausweg? Nein! Kf7 verliert die Dame durch den Lg6 Spieß. Ke7 erlaubt Tg7+ und schwarz muss wieder die Damen geben oder sich mit dem König nach d8 flüchten. Dort erwartet ihn aber ein Matt in 3. Kannst du es finden? (*Lösung am Ende des Artikels)

Schwarz spielte jedoch 33. … Txe4 worauf das geplante 34. Dxh6+ folgt. Nach 34. … Ke7 gewinnt nun fast alles. Nach kurzem überlegen entschied ich mich für Simplifikation mit 35. Lxe4 Kd8 36. Dxf6+ Kc7 37.De5+. Nach dem Damentausch bleiben 3 Freibauern für Weiß und der Sieg sollte problemlos erfolgen.

Ein weiterer spannender Kampf bot sich in Runde 5. Sven beschreibt ihn so:

„In der 5. Runde spielte ich an Brett 4 gegen Steven Baerwolf, einen Spieler mit über 2300 DWZ. Nach etwas unambitionierter Eröffnung von mir und ein paar Übersehen, die sich zum Glück nicht rächten (da es immer noch Auswege gab), kam ich in eine gute Stellung im Endspiel, die zeitweise sogar objektiv gewonnen war, die ich aber nach und nach verderben ließ. In der vorliegenden Stellung hatte ich weniger als eine Minute Zeit auf der Uhr und musste entscheiden, was mein nächster Zug sein sollte. Die Frage lautet: Ist hier alles verloren oder hat Weiß noch Chancen und wenn ja, wie?

Die Antwort lautet: Hier war alles verloren, aber nur weil ich den falschen Zug spielte. Ich entschied mich für das „agressive“ f5 und die Partie endete mit den Zügen


54.f5 e4+ 55.Kf4 e3 56.Kf3 Kd3 57.f6 e2 58.f7 e1=Q 59.f8=Q Qf1+

0-1

Die Alternative 54.fxe5 ist aber viel interessanter. In der Partie hatte ich den Großteil der Zeit daran überlegt, dies aber als verloren für Weiß eingestuft, da sich der Königsflügel vermutlich irgendwann festläuft, der Springer Schwarz endlos Tempi gibt durch Sprünge a6-b4-a6 usw. und so Schwarz irgendwann die weißen Bauern gewinnen sollte. Deshalb die Entscheidung für 54.f5.

Die Analyse von 54.fxe5 scheint diese Auffassung zunächst zu bestätigen:
54.fxe5 Kxe5 55.h4 h6 56.Ke3 g5 (mit der Idee, dem weißen König das Feld f4 zu nehmen)
57.hxg5 hxg5 Weiß ist in Zugzwang und muss zurückweichen.
58.Kf3 Kd4 59.Ke2 Ke4
Weiß kann nicht verhindern, dass der g-Bauer fällt. Ist diese Stellung also auch für Weiß verloren?


60.Kd2!
Der einzige Zug, doch er hält remis. Weiß sucht das Gegenspiel am anderen Flügel statt passiv und vergebens zu versuchen, am Königsflügel zu verteidigen (60.Kf2 Kf4 und der schwarze Bauer wird
durchlaufen) und ist schnell genug. Der schwarze Springer reicht zur Verteidigung nicht aus.  

Betrachten wir der Vollständigkeit halber noch kurz eine Beispielvariante:
60…Kf4
61.Kc3 Nc6
(61…Kxg4?
wäre hier ein fataler Fehler, der weiße Bauer ist viel zu weit gekommen im Vergleich zum schwarzen. Hier würde Weiß sogar gewinnen).
62. a6 Kxg4 63.b4 Na7 64.Kc4 Kf5 65.b5 Nc8 66.Kc5 g4 67.a7 Nxa7 68.b6 g3
69.bxa7 g2 70.a8=Q g1=Q+ und es ist remis.

Was kann man daraus lernen? Aus meiner Sicht drei Dinge:

1) Allein der Fakt, eine Variante gründlich berechnet zu haben kann ihr manchmal Vorrang verleihen gegenüber einer anderen, schlecht berechneten Variante selbst wenn die Bewertung der gründlich berechneten Variante schlecht ist und die Berechnung oder Bewertung falsch sein kann. Immer noch besser, als Roulette zu spielen mit unsauber gerechneten forcierten Varianten.

2) In Zeitnot kann es sinnvoll sein, den prinzipiellen Zug zu spielen, selbst wenn man nicht sieht, dass er funktioniert. fxe5 tauscht schließlich einen Bauern und bringt Weiß damit dem Remis einen Schritt näher. Natürlich gibt es keine Garantie, dass ich später dann auch 60.Kd2 gefunden hätte, aber meine Chancen
wären besser gewesen.

3) Selbst in komplett verloren scheinenden Stellungen kann es sich lohnen, nach versteckten Ressourcen zu suchen.“

Insgesamt war es ein schönes Turnier. Sven erreichte als 25ter aus 128 Teilnehmers mit teils sehr DWZ-starken Gegnern ein super Ergebnis! Malte (97/128) und Jan (77/128) hatten nicht ihr bestes Turnier, waren aber in keiner Partie chancenlos. Es fiel besonders auf, dass viele Teilnehmer seit längerer Zeit nicht ausgewertet wurden und so viele deutlich besser als ihre Zahl spielten. Das führte zu einem insgesamt sehr gut besetztem Turnier. Ich selber konnte mich am Ende noch als 35ter über einen Ratingspreis freuen. Gerne kommen wir wieder nach Krefeld und können das Turnier nur empfehlen. Auch außerhalb des Turniers hat es sehr viel Spaß gemacht und ich hoffe bald wieder mit den Werstenern auf ein Turnier fahren zu können!

*Lösung: Ke7 Tg7+ , Kd8 Da5+ , b6 Dxb6+, Tc7 Dxc7++